Die Tage in Nürtingen waren von bleierner Schwere. Der Himmel hing tief, der Regen fiel unaufhörlich, und die Gassen glänzten wie frisch lackiert. Doch es war nicht nur Wasser, das durch die Kanäle strömte.

Ein kaum hörbares Summen lag in der Luft – mehr gespürt als gehört. Alte Steine, vom Wasser umspült, zeigten Muster wie vergessene Runen. Manche behaupteten, sie hätten Schriftzeichen gesehen, die im nächsten Moment wieder verschwanden.

„Es ist nicht bloß ein Gesicht im Wasser“, sagte Frau Nelli Gant mit ernster Miene. „Es ist eine Erinnerung. Oder besser: eine Rückkehr.“

Die ältesten Bewohner erzählen von einem „Flussvolk“, das einst hier lebte – lange bevor der Neckar gezähmt wurde. Wesen, die mit dem Wasser sprachen, es lenkten, es hüteten. Man nannte sie die Wasserhüter. Sie verschwanden, als die Menschen begannen, Kanäle zu bauen und den Fluss zu begradigen. Doch die Legende verspricht: Wenn der Regen endlos fällt, würden die Hüter erwachen – nicht, um zu zerstören, sondern um das Gleichgewicht zurückzufordern.

Klaus Roter, pensionierter Lehrer, schwört, eine dieser Gestalten gesehen zu haben: eine Silhouette im Kanal, die Hand erhoben wie zum Gruß. „Es ist keine Drohung“, flüsterte er. „Es ist eine Mahnung. Vielleicht auch eine Einladung.“

Mit jeder Nacht wurden die Erscheinungen deutlicher. Gesichter formten sich aus Tropfen, Hände streckten sich aus den Pfützen – nicht bedrohlich, sondern suchend. Ein Wispern wie eine Bitte: „Vergesst uns nicht.“

Doch was genau will zurückkehren? Nur die Erinnerung an alte Zeiten? Oder tatsächlich ein Volk, das glaubt, seine Stunde sei gekommen?

👉 Was denkt ihr? Reine Legende, Spiegelung unserer Fantasie im Regen – oder kehren die Wasserhüter wirklich zurück? Schreibt eure Vermutung in die Kommentare.